"In der evidenzbasierten Medizin", schreibt der Arzt und Medizinjournalist Ben Goldacre, "wird es künftig darum gehen, eine Informationsarchitektur zu schaffen, in der die richtigen Nachweise zur richtigen Zeit zum richtigen Arzt gelangen" (S. 274f.). In seinem Buch Die Pharma-Lüge zeigt er, dass die Realität derzeit völlig anders aussieht. Goldacre macht klar, dass der Arzneimittelmarkt nicht transparent ist. ärzten fehlen oft unabhängige Informationen über die Wirksamkeit von Medikamenten, da Pharmakonzerne es sich erlauben können, die Ergebnisse von Studien nicht zu veröffentlichen (Goldacre beschreibt den bizarr anmutenden Fall von Tamiflu, einem Medikament, das im Zuge der Vogelgrippe von zahlreichen westlichen Staaten in größeren Mengen eingekauft wurde und dessen Hersteller Roche sich weigert, unabhängigen Wissenschaftlern Daten zu überlassen - ob Tamiflu die vom Produzenten behaupteten Wirkungen hat, ist fraglich). Es ist sogar unklar, ob den Zulassungsbehörden immer alle relevanten Untersuchungsergebnisse vorliegen. Im letzten Kapitel erklärt Goldacre, mit welchen Marketingmethoden (Stichwort" Pharmareferent) Konzerne den Verkauf bestimmter Medikamente vorantreiben. Goldacre macht auch Vorschläge, was ärzte ("Empfangen Sie keine Pharmareferenten!"), Wissenschaftler ("starke und eindeutige Standesregeln") und die Politik tun können, damit die Herstellung von Arzneimitteln im Hinblick auf das Wohl der Patienten erfolgt und nicht unter der Prämisse der Profitmaximierung der Pharmaunternehmen. Sie sind weitestgehend einfach und einleuchtend. Warum sie nicht längst umgesetzt sind, muss sich jede (und jeder) selbst fragen. G. Reinsdorf