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Deutscher Verlagspreis – Abschaffen!

15 Okt, 2025 | Return|

Wieder einmal ist der Deutsche Verlagspreis verliehen worden. An 80 Verlage. Darunter immerhin 30, die ihn bislang noch nicht bekommen hatten; aber auch 16, die ihn zuvor schon mindestens drei Mal erhalten hatten. Der Trend zur staatlich herbeigeführten Zwei-Klassen-Gesellschaft unabhängiger Verlage setzt sich also fort.
Dass es für Religionskritik und Humanismus keine Subventionen gibt, sollte nicht überraschen. Solche Themen haben weder in der staatlichen Kulturbürokratie noch in jenen Kulturkreisen, aus denen sich die Jurys rekrutieren, irgendwelche Fürsprecher:innen. 
Seit 2020 kritisieren wir die herrschende Vergabepraxis. Dieses Jahr haben wir Kulturstaatsminister Weimer angeschrieben und aufgefordert, den „Verlagspreis“ in der heutigen Fassung abzuschaffen und eine faire Verlagsförderung einzusetzen. Die fortwährende Wiederholung dieser Kritik ist umso wichtiger, als kritische Stimmen kaum noch sichtbar sind. Die Suchmaschinen zeigen die zahlreichen Stellungnahmen nicht berücksichtigter Verlage nicht an (jedenfalls nicht dort, wo durchschnittliche User noch hinblättern); der Wikipedia-Artikel wurde mittlerweile von jeglicher Kritik gesäubert und singt ein ungebrochenes Loblied auf die staatliche Kulturförderung.
Wir dokumentieren hier unsere Pressemitteilung zur Verleihung des Deutschen Verlagspreises 2025 sowie unseren Brief an Kulturstaatsminister Weimer.

 

PRESSEMITTEILUNG 15.10.2025

Alibri Verlag fordert Ersetzung des „Deutschen Verlagspreises“ durch eine „faire Verlagsförderung“

Der Geschäftsführer des Alibri Verlags Gunnar Schedel hat Kulturstaatsminister Weimer in einem Brief aufgefordert, den „Deutschen Verlagspreis“ abzuschaffen und stattdessen eine faire Verlags­förderung einzurichten. Die ungleiche Vergabepraxis der vergangenen Jahre habe bereits zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft geführt und gefährde damit die Vielfalt kleiner, unabhängiger Verlage. Es sei eine Anmaßung, wenn der Staat davon ausgehe, dass Jurys „innerhalb von Minuten über die Förderungswürdigkeit von Verlagen, von denen sie in der Regel nicht mal ein Buch gelesen haben dürften“, seriös entscheiden könnten.

Hintergrund:

Rund 60 Verlage wurden in den vergangenen sieben Jahren mit Beträgen zwischen rund 50.000 und 100.000 Euro subventioniert, während zahlreiche andere aus dem Topf „Verlagspreis“ überhaupt nichts erhielten.

Beim „Deutschen Verlagspreis“ handelt es sich nach Auffassung des Alibri Verlags nicht um einen Preis im eigentlichen Sinne, sondern um eine „Subvention“. Als Argument lässt sich anführen, dass die Vergabe an die 80 Preisträger, die 18.000 Euro erhalten, mit keinerlei Begründung versehen ist, also völlig intransparent erfolgt. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass eine echte Prüfung der Verlagsleistung überhaupt stattfindet. Selbst wenn die Jury nur eine Stunde pro Verlag aufwenden würde, wären das bei etwa 250 Bewerbungen mehr als sechs Vollzeit-Arbeitswochen. Ganz abgesehen davon, dass in einer Stunde ohnehin nur eine oberflächlichste Bewertung verlegerischer Arbeit möglich wäre, erscheint nicht einmal eine zeitliche Investition in diesem Umfang für glaubwürdig.

Als Gegenmodell hat der Alibri Verlag bereits 2020 die Ablösung der Jury durch einen Zufallsgenerator ins Spiel gebracht.

mail

Sehr geehrter Dr. Weimer,
am Mittwoch wird wieder einmal der „Deutsche Verlags­preis“ verliehen. So erfreulich es ist, dass in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der Verlage gestiegen ist, die den Preis erstmalig erhalten, setzt sich der grundsätzliche Trend fort. Der „Verlagspreis“ führt nicht zur Erhaltung verlegerischer Vielfalt, sondern hat eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den unabhängigen Verlagen etabliert: Einer kleinen Zahl von etwa 60 Verlagen, die relativ sicher damit rechnen können, diese Subvention zu erhalten, steht eine große Zahl an Verlagen gegenüber, die diese Subvention nie oder so un­regelmäßig erhalten, dass sie für ihre Verlagsplanung keine Rolle spielen kann. De facto ist der „Deutsche Verlagspreis“ neben der allgemeinen Krise des Systems „Buchhandel“ die größte Gefahr für echte Verlagsvielfalt. 
Deshalb fordere ich Sie auf, den „Deutschen Verlagspreis“ abzuschaffen und die willkürliche Vergabepraxis der Jurys durch ein Fördersystem zu ersetzen, das transparent ist und eine gleichmäßige Unterstützung kleiner Verlage gewähr­leistet.

Der „Deutsche Verlagspreis“ ist kein „Preis“, sondern eine Subvention
Nachvollziehbare Kriterien, die zur Auswahl der ausgezeich­neten Verlage führen, sind ebenso wenig erkennbar wie ein Prüfungsverfahren, mit dem verlegerische Leistungen be­wertet werden könnten. Folgerichtig wird für die 80 Em­pfänger der 18.000 Euro-Subvention auch auf eine Be­gründung verzichtet, worin die herausragende verlegerische Leistung der ausgewählten Verlage denn besteht.
Bei genauerer Überlegung erschließt sich auch, warum dies so sein muss. Denn eine Prüfung der verlegerischen Leistun­gen der sich bewerbenden Verlage, findet nach meiner Ein­schätzung überhaupt nicht statt. 

Keine wirkliche Prüfung der verlegerischen Leistungen
Diese Behauptung lässt sich mathematisch plausibel machen: Wenn sich rund 250 Verlage bewerben, und auch nur eine Stunde pro Verlag zur Begutachtung aufgewendet würde, wären die Jury-Mitglieder alleine sechs Arbeitswochen damit beschäftigt. Auch wenn mir aus der Verlagspreis-Bürokratie versichert wurde, dass die Preisrichter:innen unermüdlich und mit höchster Sorgfalt arbeiten, bitte ich um Verständnis, dass ich dies für unrealistisch und damit unglaubwürdig halte. (Und eine Stunde pro Verlag würde ohnehin nur eine ober­flächlichste Prüfung der Arbeit eines Verlages ermöglichen, zur Leistung beispielsweise des Lektorats lässt sich danach überhaupt nichts aussagen.)
So ist es viel wahrscheinlicher, dass die Bekanntheit eines Verlags in den Kreisen, aus denen solche Jurys in der Regel rekrutiert werden, persönliche Präferenzen, bisher erhaltene Preise usw. eine zentrale Rolle spielen. Und natürlich die Mitgliedschaft in der Kurt-Wolff-Stiftung. (Letztere Behauptung möchte ich mit dem Beispiel des Unrast Verlags illustrieren. Die Kolleg:innen haben ihr Profil als linker Sachbuch-Verlag bereits vor vielen Jahren gefunden. Bei den ersten vier Ausschreibungen wurde Unrast beim „Verlagspreis“ nicht berücksichtigt. Dann trat der Verlag der Kurt-Wolff-Stiftung bei, übersprang die Aufmerksamkeitshürde und gehörte seitdem zweimal zu den subventionierten Verlagen. Rein mathematisch kann das natürlich auch Zufall sein.)

Reduzierung der Verlagsvielfalt
Bereits 2020, nachdem der „Verlagspreis“ zum zweiten Mal vergeben worden war, hatte ich prognostiziert [Link: https://www.alibri.de/Blog/ArticleID/9], dass die absehbare Vergabe­praxis dazu führen wird, dass sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den unabhängigen Verlagen etabliert wird. Denn wer über einige Jahre hinweg (im Maximalfall) rund 100.000 Euro erhält, wird besser aufgestellt sein, als die Kolleg:innen, die nichts aus dem „Verlagspreis“-Topf erhalten. Immerhin wurden acht Verlage schon fünf Mal ausgezeichnet (die maximale Anzahl), weitere 16 vier Mal und immerhin 35 drei Mal. 
Wer sich in der Branche halbwegs auskennt, weiß, welche enorme Wettbewerbsverzerrung das zur Folge hat. Aus unserem Verlagsalltag kann ich konkret berichten, dass dieses Jahr erstmals ein Autor, mit dem wir ein zweites Buch schon fest vereinbart hatten, zu einem Verlag wechselte, der im vergangenen Jahr den „Verlagspreis“ erhalten hatte. Aus persönlichen Gründen (die ich menschlich völlig nachvollziehen konnte) war der Autor auf einen Vorschuss angewiesen, den zu zahlen einem Verlag mit 18.000 Euro Zusatzeinnahmen leichter fiel als uns. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass der „Verlagspreis“ mittelfristig dafür sorgt, dass die nicht subventionierten Verlage an Boden verlieren, ihr Programm herunterfahren und in der Folge sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze abbauen werden.

Erhaltung der Verlagsvielfalt
Um tatsächliche verlegerische Vielfalt zu erhalten und nicht nur zu fördern, was sich eine Jury, die aus den immer gleichen kulturellen Milieus rekrutiert wird, unter „Vielfalt“ vorstellt, wäre es am effektivsten, den Deutschen „Verlagspreis“ umgehend abzuschaffen und durch ein Fördersystem zu ersetzen, das eine gleichmäßige Unterstützung kleiner Verlage gewähr­leistet. Auch hier möchte ich auf meinen Vorschlag von 2020 verweisen, die Jury durch einen Zufallsgenerator zu ersetzen. Was von den meisten damals als Provokation verstanden wurde, könnte vor dem Hintergrund der Debatte in Albanien, vielleicht noch einmal unvoreinge­nommen diskutiert werden. Dort wird erwogen, eine KI in Ausschreibungsverfahren ein­zusetzen, weil die Regierung sich davon einen nicht korrumpierbaren Entscheidungsprozess verspricht. Das erscheint mir, mit Blick darauf, wie die Subvention bislang verteilt worden ist, auch für den „Deutschen Verlagspreis“ angesagt. Denn die Anmaßung der Jurys, innerhalb von Minuten über die Förderungswürdigkeit von Verlagen, von denen sie in der Regel nicht mal ein Buch gelesen haben dürften, meinen entscheiden zu können (und damit auf mittlere Sicht auch über deren Existenz), ist nicht zu rechtfertigen. Ein Prozess, der so etwas ermöglicht, sollte grundlegend geändert werden.
Ein anderer einfacher Schritt wäre, den Karenzzeitraum auf zwei Jahre zu erhöhen. Das würde die Berücksichtigung bislang nicht ausgezeichneter Verlage verbessern, und das Gefälle zwischen selten und häufig mit der Subvention bedachten Verlagen reduzieren.
Da Intransparenz ein zentrales Problem des „Deutschen Verlagspreises“ ist, würde ich es zudem begrüßen, wenn eine Liste der Verlage, die den „Verlagspreis“ noch nie oder nur einmal erhalten haben, von staatlicher Seite öffentlich gemacht würde. Für die Verlage hätte dies den Vorteil, dass sie bei ihren Fundraising-Aktivitäten darauf verweisen könnten, dass sie von dieser staatlichen Förderung in der Realität ausgeschlossen sind. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass dies bei Privatpersonen oder kleinen Stiftungen tatsächlich die Motivation erhöht, Projekte zu unterstützen. 

Am besten aber: Geben Sie sich einen Ruck, Herr Dr. Weimer, und sorgen Sie dafür, dass „Vielfalt“ im „Deutschen Verlagspreis“ nicht länger Phrase bleibt, sondern gelebte Praxis wird: Schaffen Sie den „Verlagspreis“ in der heutigen Fassung ab und setzen Sie eine faire Verlags­förderung ein.

 

 

 

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